Wie kann ich meinen Religionsunterricht so gestalten, dass eine fruchtbare, authentische und lebensbezogene Begegnung zwischen den Lernenden und dem Thema möglich wird?
Die Tübinger Religionspädagogen Karl-Ernst Nipkow und Friedrich Schweitzer, entwickelten zur Beantwortung der zentralen didaktischen Frage fünf Aspekte oder Elementarisierungsdimensionen. Diese gilt es bei der Planung von Unterricht zu reflektieren und miteinander in Beziehung setzen.
Für das Training mit den didaktischen Werkzeugen bildet der Ansatz von Nipkow und Schweitzer einen guten Startpunkt. Mit der wiederholten Anwendung werden auch Ihre Kompetenzen in der Handhabung dieser Werkzeuge wachsen.
- Elementare Strukturen
- Elementare Zugänge
- Elementare Wahrheiten
- Elementare Erfahrungen
- Elementare Lernformen
Die Lehrkraft setzt sich mit den fachlichen Aspekten der Inhalte einer Sequenz oder einer Stunde auseinander und beantwortet aus ihrer persönlichen Fachkenntnis und mit ihrem individuellen Blick auf ihre Lerngruppe die Fragen:
Worum geht es inhaltlich und was ist der Kern der Sache?
Damit reduziert sie bewusst und ganz subjektiv die Fülle des Stoffes auf das Elementare und Wesentliche. Die Fülle des Stoffes wird eingeschränkt und das Maß an Komplexität zurückgenommen. Der Kern der Sache darf dabei aber nicht verloren gehen.
Für die konkrete Lerngruppe wird dadurch eine sachliche Durchdringung möglich. Für sie soll eine Art “Vertrautheit” mit einer biblischen Erzählung, einer christlichen Tradition, einem religiösen Symbol oder einer Phase der Kirchengeschichte entstehen.
Es ist letztlich der kleine Ausschnitt aus der großen Lernlandlandschaft Religion, in die Sie als Reiseleiter*in die Reisenden führen wollen.
Um einem “Zwang zum Stoff” zu entkommen, empiehlt es sich die eigenen Interessen mithilfe von Leitfragen hinzuzuholen: Welche Aspekte regen mich an? Welche Gedanken inspirieren mich? Woran habe ich Freude und worauf Lust?
Die Lehrkraft versucht, den didaktisch reduzierten Unterrichtsinhalt mit den Augen ihrer Lerngruppe wahrzunehmen. Mit Blick auf ihre Lerngruppe sucht sie eine Antwort auf die Frage:
Wie erschließen sich meine Schüler*innen die Fragen und Inhalte?
Um das zu ermöglichen, muss sie ihre Besonderheiten kennen. Die Vielfalt ihrer religiösen Sozialisation, ihres Vorwissens, ihrer methodischen Kenntnisse und Fähigkeiten und ihres psychologischen Entwicklungsstandes sollen bewusst aufgenommen werden.
Es geht um die Art und Weise, mit der Kinder, Jugendliche oder junge Erwachsene die Welt konstruieren. Ihre Perspektiven und Urteile, ihr Recht auf eigene Konstruktionen des “Mensch – Welt – Gott – Verhältnisses”, werden so geschützt und anerkannt. In Auseinandersetzung mit anderen können sie ihre Urteile revidieren und weiterentwickeln.
Die Antworten sind Bauteile für die Brücken, die zwischen Lernlandschaft und Reisenden zu bauen sind.
Die Lehrkraft oder Reiseleiter*in betrachtet den unterrichtlichen Inhalt nun noch einmal aus einer anderen Perspektive. Sie spürt den Bedeutsamkeiten oder Aufladungen der Unterrichtsinhalte nach. Sie sucht nach den konfessionellen Wahrheitsfragen, die vom Thema berührt werden. Sie formuliert stellvertretend Antworten auf die Fragen:
Was glaube ich und welche Bedeutung hat mein Bekenntnis für das Zusammenleben mit anderen?
Diese Fragen gilt es zu beantworten, um die Sicht auf den Menschen aus der Perspektive der Konfessionen in den Blick zu bekommen. Die Schülerinnen und Schüler können über diesen Kanal in eine dialogische Auseinandersetzung mit religiösen Wahrheiten und ihren Ansprüchen treten. Sie werden aufgefordert eine eigene Position, ein eigenes individuelles Bekenntnis zu formulieren.
Die Suche nach der elementaren Wahrheiten sind Bausteine für die Brücken vom Stoff zu den Kindern und Jugendlichen.
Die Lehrkraft oder Reiseleiter*in wirft nun ihren Blick in die Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen. Sie sucht nach den lebensweltlichen Zusammenhängen, in denen die Kinder und Jugendliche dem Thema begegnen. Die Fragen, die zu beantworten sind, lauten:
Welche adäquaten Erfahrungen kennen meine Schülerinnen und Schüler
und auf welche Art und Weise können ihre Erlebnisse zu Erfahrungen werden?
Die Schülerinnen und Schüler können über diese Dimension ihre eigenen Erfahrungen bewusst wahrnehmen und reflektieren. Es wird die Möglichkeit angelegt, in einen Austausch über Erfahrungshintergründe von biblischen Texten, historischen Quellen oder religiösen Bekenntnissen zu treten. Das jeweils Bedeutsame kann so zu Sprache werden.
Die Erfahrungen werden mit den elementaren Wahrheiten kombiniert und bilden ein weiteres Bauelement für die Brücken in die Lernandschaft.
Die Dimension dient der Reflexion der eigenen Unterrichtskultur und der Suche nach angemessenen und adäquaten Methoden. Die dazu unterstützenden Fragen lauten:
Welche Wege und Methoden dienen einer schülerorientierten und sachgemäßen Erschließung?
Die Suche nach elementaren Formen des Lehrens und Lernens versucht, der Besonderheit des Themas gerecht zu werden.
Die Schülerinnen und Schüler werden in die Lage versetzt, mit einem eigenen methodischen Repertoire Sachverhalte, Probleme und Fragestellungen zu erschließen und sich darüber hinaus bewusst zu sein, über genau ein solches Repertoire zu verfügen.
Die elementaren Lernformen sind quasi das Baumaterial, aus denen die Brücken in die Lernlandschaft gefertigt sind.
Didaktische Überlegungen zur Elementarisierung im Kontext eines beispielhaften Unterrichtsentwurfs.