Kompetenzorientiert unterrichten

Am Anfang steht die Frage, was Kompetenz und Wissen unterscheidet und auf welche Art und Weise sie zusammengehören. Als professionelle Didaktikerin und Didaktiker sollen Sie sich bewusst werden, was Schülerinnen und Schüler brauchen, um Kompetenzen auszubilden. Sie werden dann verstehen, dass das Reproduzieren von Faktenwissen  oder das Auswendiglernen von Merksätzen keine fachlichen Kompetenzen sind. Gleichzeitig gilt, dass kompetenzorientierte Bildungsprozesse ohne Kenntnisse und Wissenszusammenhänge nicht auskommen. Die folgenden Kriterien geben eine Orientierung für kompetenzorientiertes Unterrichten.

Was heißt kompetent sein? - Eine Annäherung im Selbstversuch
  1. Wählen Sie aus Ihrem Leben etwas aus, wovon Sie meinen, erfahren, sicher und reflektiert zu sein bzw. sich als kompetent bezeichnen würden. Das können Fähigkeiten des Haushalts sein, wie Backen oder Nähen, Erfahrungen aus Reisen und Auslandsaufenthalten oder vertieftes Wissen und Können aus Sport und Gaming.
  2. Notieren Sie konkrete Eigenschaften oder Fähigkeiten, an denen andere merken, dass Sie bezüglich Ihrer Auswahl kompetent sind.
  3. Erläutern Sie Bestandteile dieser Kompetenz.
  4. Beschreiben Sie die Wege und Lernprozesse, über die Sie zu dieser Kompetenz gelangt sind.
  5. Formulieren Sie eigene Bestimmungen für Kompetenz und Wissen und deren Zusammenhänge. Diskutieren Sie Ihre Überlegungen mit Kolleginnen und Kollegen.
Anforderungssituationen entwickeln

Kompetenzorientierter Unterricht zielt darauf ab, dass die Schülerinnen und Schüler ihr Wissen und Können in lebensrelevanten Situationen zur Anwendung bringen. Für solche problemhaltigen Situationen wurde der Begriff Anforderungssituation geprägt, der allerdings in den verschiedenen Fächern unterschiedlich gefüllt wird.

Damit es nicht nur um das Wissen und Können der Schülerinnen und Schüler geht, sondern primär ihre Fähigkeiten zur fachlichen Problemlösung in den Blick kommen, begibt man sich auf die Suche nach solchen Anforderungssituationen. Diese müssen in die Sequenz sinnvoll eingebaut werden.

Anforderungssituationen können offene Fragen sein, Materialien, die in einen Deutungs- und/oder Beurteilungszusammenhang gestellt werden oder auch handlungs- und/oder produktorientierte Anforderungen implizieren. Gemeinsam ist allen Möglichkeiten, dass sie die Schülerinnen und Schüler lebensnah in Kontakt mit den Unterrichtsinhalten bringen sollen.

Bei der Planung von Unterricht ist zu entscheiden, ob die gewählte Anforderungssituation sich für den Anfang, das Ende oder den Mittelteil der Sequenz eignet. Wird sie zu Beginn einer Sequenz eingeplant, können die Schülerinnen und Schülern an ihr den Weg des Lernprozesses entwickeln. Findet sie ihren Platz am Ende, zeigt die Bewältigung der Anforderungssituation, wie es gelungen ist, die fachlichen Kompetenzen auszubilden.

Darüber hinaus kann eine Anforderungssituation eine Sequenz auch einrahmen. Es ist auch denkbar, dass innerhalb einzelner Stunden Anforderungssituationen zu bewältigen sind.

In der Unterrichtssequenz Land und Leute Jesu eröffnet, umrahmt und strukturiert die Anforderungssituation die Sequenz.

In der Unterrichtssequenz Religion im Alltag findet sich die Anforderungssituation erst am Schluss der Sequenz.

Erarbeitungsfragen

  • Inwieweit hilft das gefundene Material oder die Situation, eine Brücke zwischen Schülerinnen und Schüler und den Unterrichtsgegenständen zu bauen?
  • Eröffnet die Anforderungssituation Denkprozesse?
  • Motiviert sie und weckt sie Neugierde?
Differenzierungsoptionen prüfen

Unterricht soll jeden einzelne Schülerin und jeden einzelnen Schüler fördern. Dabei wird ihnen Möglichkeiten gegeben, ihre emotionalen, intellektuellen, motorischen oder sozialen Begabungen einzubringen. Durch geeignete Angebote können die Schülerinnen und Schüler ihre Kompetenzen weiter ausbilden und entwickeln. Solche differenzierende Förderung erkennt man u.a. an einer Vielzahl von Aufgaben mit unterschiedlichen Niveaus, an unterschiedlichen Lernmaterialien, individuell angepassten Arbeits- und Pausenzeiten, transparenten Erwartungshorizonten und über den Unterricht hinausgehenden Unterstützungsangeboten.

Es ist jeweils zu prüfen, ob die Notwendigkeit zur Differenzierung für die konkrete Lerngruppe besteht, in welchen Phasen der Stunde sie notwendig ist und welche Möglichkeiten der Umsetzung es gibt.

Der Unterrichtsentwurf „Jesus – Ein Wunder für sich“ zeigt deutlich die  Zusammenhänge zwischen den Überlegungen zur Lerngruppe, den sachanalytischen Reflexionen, den didaktischen Entscheidungen des Unterrichtsverlaufs und den konkreten Unterrichtsmaterialien.

Erarbeitungsfragen

  • Welche Lerntypen begegnen mir in meiner Lerngruppe?
  • Ist eine geschlechtersensible Differenzierung sinnvoll?
  • Welche Bedeutung hat das konfessionelle oder weltanschauliche Bekenntnis für die Lerngruppe?
  • Wie können die unterschiedliche Fähigkeiten und Begabungen der Schülerinnen und Schüler zur Bereicherung von Unterricht beitragen?
Meta-Kognition anlegen

Meta-Kognition beschreibt die bewusste Wahrnehmung und Reflexion der eigenen Lernprozesse. Aus einer bewusst distanzierten Position heraus beschreiben die Lernenden die eigenen Denkwege. So werden Stärken, Schwächen und Interessen deutlich und die Verantwortungsübernahme für das eigene Lernen wird angebahnt.
Meta-kognitive Prozesse werden häufig durch Gesprächsimpulse oder Interviews angeregt. Die Ergebnisse lassen sich u.a. in Lerntagebüchern festhalten.

Darüber hinaus führt Meta-Kognition auch zu Vernetzungen. Dabei wird z.B. das Weihnachtsfest im Kontext der Friedens- und Versöhnungsfeste der Weltreligionen wahrgenommen oder der Schöpfungsmythos aus Gen 2 im Horizont kosmologischer oder biologischer Fragenstellungen interpretiert.

Auf diese Weise entstehen Wissenssysteme, die Orientierung im Fächerkanon bieten und die gleichzeitig die Lernenden zu Subjekten eigener Lernprozesse werden lassen.

 

Erarbeitungsfragen

  • An welchen Stellen der Sequenz oder in welchen Stunden bieten sich meta-kognitive Phasen an?
  • Mit welchen Impulsen rekonstruieren die Schülerinnen und Schüler ihre Lernwege und in welcher Form werden die Ergebnisse festgehalten?
  • Durch welche kognitiven Herausforderungen wird vernetzendes fachübergreifende Nachdenken gefördert?
Intelligentes Üben
Erarbeitete Lernstände müssen gesichert werden. Sicherung meint dabei nicht nur das schriftliche Festhalten, sondern vor allem die geplante und bewusste Vertiefung. Aus diesem Grund wird im Unterricht geübt. Üben meint hier aber nicht ein einfaches Wiederholen, sondern die bewusste Anwendung erarbeiteter Strategien bzw. die Übertragung auf analoge Probleme, adäquate Situationen oder anschlussfähige Herausforderungen.
 
Intelligentes Üben muss regelmäßig möglich sein und kann mit selbsterklärenden und unterschiedlichen Übungsmaterialien geleistet werden. Es verleiht den Schülerinnen und Schülern Sicherheit und gibt sowohl ihnen als den Lehrkräften ein qualifiziertes Feedback zu den erreichten Lernständen. In diesen Übungsphasen ist es Aufgabe der Lehrkräfte , die Lernenden zu beobachten, sie angemessen zu unterstützen und die gezeigten Leistungen zu würdigen.
 
Erarbeitungsfragen
  • In welchen Phasen der Sequenz oder in welchen Stunden bietet sich vertiefendes Üben an?
  • Fördern die zu verwendenden  Medien und Materialien die Schülerinnen und Schüler in ihren individuellen Lernprozessen?
Die Aufgabenkultur

Bei den Aufgabenstellungen ist darauf zu achten, dass mit Operatoren gearbeitet wird. Dabei bestimmen die Operatoren das kognitive Anspruchsniveau. Die einzelnen Aufgaben sollen aufeinander aufbauen, mehrere Anforderungsbereiche berühren und so eine Progression in der Auseindersetzung mit Medien, Inhalten oder Fragestellungen ermöglichen.
Es ist darauf zu achten, dass die Schülerinnen und Schüler mit den Operatoren vertraut sind, d.h. dass sie wissen, wie vorzugehen ist und was erwartet wird.

Die Zusammenstellung der Operatoren nach den Einheitlichen Prüfungsanforderungen für das Fach Evangelische Religionslehre.

Beispiele für eine gelungene Aufgabenkultur finden sich unter der Rubrik “Planungsbeispiele analysieren” und in den niveaubestimmenden Aufgaben zu den Lehrplänen.

Niveaubestimmende Aufgaben für die Sekundar- und Gemeinschaftsschulen

 
Erarbeitungsfragen
  • Mit welchen Operatoren lassen sich die Aufgaben adäquat lösen bzw. können Medien und Materialien sinnvoll erschlossen und reflektiert werden?
  • Werden alle notwendigen Anforderungsbereiche berührt?
  • Bauen die Aufgaben aufeinander auf und wird so eine Progression sichtbar?
Lernwege anlegen

Damit Schülerinnen und Schüler fachliche Kompetenzen ausbilden können, benötigen sie kognitive Anregungen bzw. Freiräume, in denen sie fachliche Inhalte eigenständig durchdenken, begreifen und gestalten können. Darüber hinaus eröffnen sich so Möglichkeiten, den eigenen Lernfortschritt meta-kognitiv in den Blick zu nehmen.

Gelungene Beispiele finden sich in der Rubrik Planungsbeispiele analysieren.

Erarbeitungsfragen

  • Finden sich Freiräume für die individuelle Auseinandersetzung mit den Herausforderungen der Sequenz?
  • Wirken die Impulse kognitiv anregend?